„Ich fand schon als kleines Kind das Weltall enorm. Die Unendlichkeit. Die Planeten. Das Konzept konnte ich nicht so richtig greifen. Es war eine Faszination, die mich nie mehr losließ“, erklärt Ann-Theres Schulz. Also las und informierte sie sich und schrieb bereits mit 14 Jahren eine Bewerbung für ein Schülerpraktikum an die Europäische Weltraumorganisation ESA. Zurück kam eine ganz besondere Absage. „Das war vielleicht abgefahren. Der Astronaut Gerhard Thiele hat mir in einem persönlichen Brief mitgeteilt, dass ich das Mindestalter für ein Praktikum von 16 Jahren noch nicht erreicht habe, aber ich soll mich dann noch mal melden.“ Sie ging dann erst mal zum benachbarten Zentrum für Luft- und Raumfahrt und hielt an ihrer Idee fest.
Sie fand im holländischen Delft ihre Traumhochschule. „Holland ist einfach super süß, die Campus-Uni klasse, das internationale Flair toll. Ich erinnere mich noch total an den ersten Tag. Der Kurs nannte sich Introduction to Aerospace Engineering. Darin ging es um Heißluftballons. Mein gesamtes Wissen des Physik-Leistungskurses wurde in 20 Minuten zusammengefasst, und dann ging es in diesem Tempo weiter – für das gesamte Studium.“ Ihr persönliches Interesse war außerordentlich hoch, das Lernvolumen auch. Und trotzdem blieb Zeit für Partys und Urlaub. Eine Frage des Zeitmanagements.
Es folgte ein Praktikum am Raumfahrtinstitut in Kopenhagen, wo sie sich um die Meereshöhenberechnung im Arktischen Ozean kümmerte. Ein halbes Jahr in Melbourne und ein paar Wochen im neuseeländischen Sommer später kümmerte sie sich dann um ihre Masterarbeit, die das Studium 2016 abschloss. Weil ihr Freund aus dem nur 100 Kilometer entfernten Belgien kam, blieben die beiden noch eine Zeit in Delft. Ann-Theres Schulz arbeitete zwei Jahre im Energiesektor, vermisste die Raumfahrt doch sehr. „Wir wollten wieder zurück nach Belgien oder Deutschland. Wohin wir ziehen würden, stand überhaupt nicht fest. Stattdessen machten wir die Wahl davon abhängig, wer als erstes einen guten Job findet, und dann kam OHB in Bremen. Das musste ich einfach machen.“
„Es gibt hier viele junge Wilde, wie mich, die möglichst alles lernen wollen.“
OHB ist einer der größten europäischen Player bei der Produktion von Satelliten. Hier wird Highend-Weltraumtechnik entwickelt, gebaut und in die Raketen geladen, damit Technologie „made in Bremen“ ins All fliegt. Ann-Theres startete hier 2018 in der Vorentwicklung. Einer Abteilung, die überprüft, ob Ideen überhaupt umsetzbar sind. Planung, Hypothese, Versuch. „Mittlerweile kümmere ich mich um die Implementierung. Da fängt man an, den Satelliten richtig zu bauen.“ Der Satellit CO2M soll später die menschengemachten irdischen CO2-Emmissionen vom Weltall aus vermessen. „Es gibt hier bei OHB viele junge Wilde so wie mich, die noch keine große Erfahrung haben und die möglichst alles lernen wollen, was es gibt“, sagt sie.