Leichter, schlanker, ressourcenschonender – das ist das Mantra, dem sich viele ING-Branchen verschrieben haben. So ist es auch ein großes Thema in der Luftfahrt. Indem man weniger Material verbraucht, wird auch Gewicht und damit Treibstoff und Emissionen eingespart: Stichwort Leichtbau. Beim Thema Nachhaltigkeit darf die Sicherheit von Flugzeugen jedoch nicht auf der Strecke bleiben. Die Übergänge von einem Bauteil ins nächste, die Fügestellen, sind quasi die Achillessehne einer Maschine. Wie sich diese auf die Schwingungen der gesamten Maschine und der einzelnen Bauteile auswirken, ist Thema der Dissertation von Dr. Maren Scheel, die sie am Institut für Luftfahrtantriebe an der Universität Stuttgart erarbeitete.
„Das sind wichtige Fächer, die die Gesellschaft jetzt für alle Transformationsprozesse braucht, die anstehen.“
„Vorher ging man davon aus, dass die Schwingeigenschaften immer gleich sind, egal, wie stark die Schwingung ist“, erklärt Maren. Mit ihrer neuen Messmethode kann sie experimentell bestimmen, wie sich die Eigenschaften je nach Schwingungsstärke ändern. Wie Fügestellen Schwingungen beeinflussen kann man sich so vorstellen: „Wenn man die Handflächen aneinanderlegt und sie nur minimal bewegt, dann besteht noch eine sogenannte Haftreibung, sie bleiben noch am selben Platz. Sobald man sie aber schneller aneinander reibt, dann fangen sie an zu gleiten.“ Um diese Änderung in der Reibung zu untersuchen, klärt Maren mit ihrer Messmethode drei Fragen: Bei welcher Frequenz sind die Schwingungen besonders groß, welche Form hat die Schwingung und wie schnell klingt die Schwingung wieder ab? Dazu wird am einem echten Prototypen getestet und angepasst, je weniger er schwingt, desto besser.
„Jede Maschine ist irgendwie aus Bauteilen zusammengefügt“, sagt Maren. In der Luftfahrtindustrie helfen die Vorhersagen über die Schwingeigenschaften aus dem Verfahren etwa bei der Anpassung der Turbinenschaufeln von Triebwerken, also quasi der Rotorblätter von Flugzeugen. Die können anhand der Daten aus Marens Messtechnik so ausgelegt werden, dass durch die Drehbewegung der Schaufeln diese nicht in Resonanz geraten. Das heißt, dass die Schwingungen klein bleiben und so die Bauteile der Belastung standhalten. Ein Industriepartner der Uni, die MTU Aero Engines, testet ihre Messtechnik bereits in deren Forschungsabteilung an eben solchen Schaufeln. Auch in der Energiebranche könnte ihr Messverfahren helfen, Rotorblätter von Windrädern effizienter, nachhaltiger und langlebiger zu gestalten und schwingungsbedingtes Brechen zu vermeiden.
Ein Interesse an Naturwissenschaften, der Wunsch ein Technik-Studium mit Anwendungsbezug zu absolvieren und die Zuversicht, dass das Studium ihr den Weg in ein interessantes Themengebiet weist – so gelangte Dr. Maren Scheel an den aktuellen Punkt ihrer Karriere. Mit ihrer Dissertation gewann die 33-Jährige den renommierten Bertha-Benz-Preis 2023. Er wird seit 2009 verliehen und zeichnet diejenigen Arbeiten von Ingenieurinnen aus, die mit ihren Ergebnissen einen besonderen wissenschaftlichen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Mehrwert geschaffen haben. Maren fühlt sich noch immer sehr geehrt: „Von all den guten Arbeiten von Ingenieurinnen ausgewählt zu werden, das ist eine große Ehre und auch Bestätigung, dass die eigene Forschung bedeutsam ist“. Bestätigt fühlt sie sich damit auch in ihrem Berufsweg. „Ich finde es wichtig, dass frau sagt, ‚ich interessiere mich dafür, ich probiere es aus‘“, so Maren.
„Der Preis ist eine große Anerkennung. Er erhöht die Sichtbarkeit, generell für das Thema Schwingungsuntersuchungen und speziell für meine Methode. Das sie bekannter wird ist natürlich sehr schön.“